Difference between revisions of "Freiheitsentziehende Maßnahmen"
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1. <u>Genehmigung der Maßnahme durch den Bewohner</u> | 1. <u>Genehmigung der Maßnahme durch den Bewohner</u> | ||
Der Bewohner ist einwilligungsfähig und stimmt der Maßnahme zu. Eine Aufklärung über Art und Dauer der Maßnahme muss durch das Pflegepersonal erfolgen. Die Maßnahme kann auf der Basis der Zustimmung des Bewohners ohne richterliche Genehmigung durchgeführt werden. Die schriftliche (im Ausnahmefall auch mündliche) Einwilligung des Bewohners muss nachweislich eingeholt werden ''(s. FO Einwilligung zum Selbstschutz).'' Der Bewohner muss einwilligungsfähig sein, indem er seinen Willen erklären kann und dies auch tut – Geschäftsfähigkeit ist keine Voraussetzung zur freien Willensäußerung (d.h. der Bewohner kann seinen freien Willen äußern, obwohl er einen Betreuer hat). Die Einwilligung des Bewohners muss 1x ¼ jährlich nachweislich erneut eingeholt werden. | |||
2. <u>Mutmaßliche Einwilligung des Bewohners</u> | |||
Wenn der Bewohner zur willkürlichen Fortbewegung unfähig ist und kein diesbezüglicher freier Wille erkennbar ist, kann angenommen werden, dass der Bewohner mit der Maßnahme zu seinem Schutz einverstanden ist. Beispiel: ein Bewohner, der sich nicht mehr alleine fortbewegen kann, aber durch Rütteln an den Bettgittern erkennen lässt, dass er mit der Maßnahme nicht einverstanden ist, erklärt seinen freien Willen. In diesem Fall muss dem Willen des Bewohners entsprochen werden und das Bettgitter entfernt werden bzw. die Maßnahme muss durch ein Gericht genehmigt werden. Der Vorgang ist zu dokumentieren. | |||
3. <u>Rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB</u> | |||
Wenn die Freiheitsentziehung nur einmalig und somit vorübergehend im Rahmen einer Notsituation erfolgt (z.B. akute Unruhezustände im Zusammenhang mit akuter Krankheit, Abwendung eines Suizids). In solchen Situationen muss zwingend ein Arzt eingeschaltet werden sowie eine Information an den Betreuer / Bevollmächtigten erfolgen. Den Rechtfertigenden Notstand kennzeichnet, dass es sich um eine kurzfristige Maßnahme handelt. Die Prüfung des Sachverhalts (besteht weiterhin die Notwendigkeit?) muss somit unverzüglich erfolgen (z.B. am darauffolgenden Tag unter Einbeziehung des Betreuers / des Arztes). Ist zum Zeitpunkt der Feststellung des Notstands bereits abzusehen, dass die Maßnahme dauerhaft erforderlich sein wird, liegt kein Rechtfertigender Notstand vor – in diesem Fall ist unverzüglich die Entscheidung eines Gericht über die Legitimation der Maßnahme herbeizuführen. | |||
4. <u>Bewohner mit gesetzlicher Betreuung (Aufgabenbereiche: Aufenthalt, Gesundheitsfürsorge und/oder Freiheitsentziehende Maßnahmen)</u> | |||
6. <u>Der Betreuer stimmt der Maßnahme nicht zu oder es erfolgt keine Rückmeldung des Betreuers</u>In diesem Fall beantragt die Einrichtung die richterliche Genehmigung der Maßnahme nur, wenn nachweislich Gefahr in Verzug ist und der Betreuer nicht zum Wohle des Bewohners handelt (z.B. indem keine Rückmeldung durch den Betreuer erfolgt nach Erhalt der Information einer Notwendigkeit von Freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Einrichtung). Der Schriftwechsel mit dem Betreuer sollte dem Amtsgericht in Kopie mit dem Antrag auf die Genehmigung von Freiheitsentziehenden Maßnahmen zur Kenntnis übersandt werden. | Sofern Punkt 1. und 2. nicht zutreffen wird die Zustimmung des Betreuers eingeholt. Der Betreuer initiiert die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens und erklärt gegenüber dem Gericht die Notwendigkeit der Maßnahme und beantragt die Genehmigung der Maßnahme. | ||
5. <u>Bewohner ohne gesetzliche Betreuung</u> | |||
Vorausgesetzt Punkt 1. und 2. treffen nicht zu, fordert die Einrichtung ein ärztliches Gut-achten an und beantragt die richterliche Genehmigung gemäß § 1846 BGB. | |||
6. <u>Der Betreuer stimmt der Maßnahme nicht zu oder es erfolgt keine Rückmeldung des Betreuers</u> | |||
In diesem Fall beantragt die Einrichtung die richterliche Genehmigung der Maßnahme nur, wenn nachweislich Gefahr in Verzug ist und der Betreuer nicht zum Wohle des Bewohners handelt (z.B. indem keine Rückmeldung durch den Betreuer erfolgt nach Erhalt der Information einer Notwendigkeit von Freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Einrichtung). Der Schriftwechsel mit dem Betreuer sollte dem Amtsgericht in Kopie mit dem Antrag auf die Genehmigung von Freiheitsentziehenden Maßnahmen zur Kenntnis übersandt werden. | |||
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Latest revision as of 10:44, 7 February 2019
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Handbuch Qualitätsmanagement
Geltungsbereich: Pflege |
Pflege
Kap. D.1.7 |
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| Umgang mit Freiheitsentziehenden Maßnahmen |
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Ziel
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Definition Von Freiheitsentziehenden Maßnahmen wird gesprochen, wenn die Maßnahmen regelmäßig und/ oder auf Dauer durchgeführt werden. Freiheitsentziehende Maßnahmen liegen nicht vor, wenn der Bewohner der Maßnahme ausdrücklich zustimmt bzw. wenn die Maßnahme den Bewohner nicht am Verlassen des Aufenthaltsortes hindert (z.B. Bettgitter bei Bewohnern ohne Fähigkeit zur eigenständigen Fortbewegung, die ein Herausfallen aus dem Bett verhindern sollen) bzw. die Maßnahme jederzeit auf Wunsch des Bewohners beendet wird.Zu den Freiheitsentziehenden Maßnahmen zählen:
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Verantwortlich
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Allgemeines Der Einsatz einer Freiheitsentziehenden Maßnahme muss immer zum Wohle des Betroffenen sein. Freiheitsentziehende Maßnahmen greifen in die Grundrechte des Menschen ein und dürfen nur unter eng gefassten Umständen vorgenommen werden. Der gesetzliche Rahmen wird definiert durch Art. 2 Grundgesetz (allgemeines Persönlichkeitsrecht), Art. 104 Grundgesetz (Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug) und in § 1906 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (Freiheitsentziehung). Eine Freiheitsentziehende Maßnahme ist nur zulässig bei vorheriger Genehmigung durch das Gericht. Nur in Ausnahmefällen können Freiheitsentziehende Maßnahmen ohne vormundschaftliche Genehmigung zulässig sein. Vergleiche auch Konzept zur Vermeidung Freiheitsentziehender Maßnahmen (QMH Kapitel A.3.3)Ausnahmefälle:
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Durchführung 1. Genehmigung der Maßnahme durch den Bewohner Der Bewohner ist einwilligungsfähig und stimmt der Maßnahme zu. Eine Aufklärung über Art und Dauer der Maßnahme muss durch das Pflegepersonal erfolgen. Die Maßnahme kann auf der Basis der Zustimmung des Bewohners ohne richterliche Genehmigung durchgeführt werden. Die schriftliche (im Ausnahmefall auch mündliche) Einwilligung des Bewohners muss nachweislich eingeholt werden (s. FO Einwilligung zum Selbstschutz). Der Bewohner muss einwilligungsfähig sein, indem er seinen Willen erklären kann und dies auch tut – Geschäftsfähigkeit ist keine Voraussetzung zur freien Willensäußerung (d.h. der Bewohner kann seinen freien Willen äußern, obwohl er einen Betreuer hat). Die Einwilligung des Bewohners muss 1x ¼ jährlich nachweislich erneut eingeholt werden.
Wenn der Bewohner zur willkürlichen Fortbewegung unfähig ist und kein diesbezüglicher freier Wille erkennbar ist, kann angenommen werden, dass der Bewohner mit der Maßnahme zu seinem Schutz einverstanden ist. Beispiel: ein Bewohner, der sich nicht mehr alleine fortbewegen kann, aber durch Rütteln an den Bettgittern erkennen lässt, dass er mit der Maßnahme nicht einverstanden ist, erklärt seinen freien Willen. In diesem Fall muss dem Willen des Bewohners entsprochen werden und das Bettgitter entfernt werden bzw. die Maßnahme muss durch ein Gericht genehmigt werden. Der Vorgang ist zu dokumentieren.
Wenn die Freiheitsentziehung nur einmalig und somit vorübergehend im Rahmen einer Notsituation erfolgt (z.B. akute Unruhezustände im Zusammenhang mit akuter Krankheit, Abwendung eines Suizids). In solchen Situationen muss zwingend ein Arzt eingeschaltet werden sowie eine Information an den Betreuer / Bevollmächtigten erfolgen. Den Rechtfertigenden Notstand kennzeichnet, dass es sich um eine kurzfristige Maßnahme handelt. Die Prüfung des Sachverhalts (besteht weiterhin die Notwendigkeit?) muss somit unverzüglich erfolgen (z.B. am darauffolgenden Tag unter Einbeziehung des Betreuers / des Arztes). Ist zum Zeitpunkt der Feststellung des Notstands bereits abzusehen, dass die Maßnahme dauerhaft erforderlich sein wird, liegt kein Rechtfertigender Notstand vor – in diesem Fall ist unverzüglich die Entscheidung eines Gericht über die Legitimation der Maßnahme herbeizuführen.
Sofern Punkt 1. und 2. nicht zutreffen wird die Zustimmung des Betreuers eingeholt. Der Betreuer initiiert die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens und erklärt gegenüber dem Gericht die Notwendigkeit der Maßnahme und beantragt die Genehmigung der Maßnahme.
Vorausgesetzt Punkt 1. und 2. treffen nicht zu, fordert die Einrichtung ein ärztliches Gut-achten an und beantragt die richterliche Genehmigung gemäß § 1846 BGB.
In diesem Fall beantragt die Einrichtung die richterliche Genehmigung der Maßnahme nur, wenn nachweislich Gefahr in Verzug ist und der Betreuer nicht zum Wohle des Bewohners handelt (z.B. indem keine Rückmeldung durch den Betreuer erfolgt nach Erhalt der Information einer Notwendigkeit von Freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Einrichtung). Der Schriftwechsel mit dem Betreuer sollte dem Amtsgericht in Kopie mit dem Antrag auf die Genehmigung von Freiheitsentziehenden Maßnahmen zur Kenntnis übersandt werden. |
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Dokumentation
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Literatur
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Freigabe GF |
Geprüft ZHL |
Bearbeiter |
Version |
Datum |
Seite |
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Frau Busch |
Herr Sauder |
QMB |
2.0 |
September 2018 |
Seite 4 von 4 |
