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Freiheitsentziehende Maßnahmen

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Ziel

  • Wahrung der persönlichen Rechte des Bewohners
  • Vermeidung von gesundheitlichen Schäden beim Bewohner
  • Größtmögliche Sicherheit für den Bewohner
  • Größtmögliches Wohlbefinden für den Bewohner
  • Rechtliche Absicherung des Handelns der Pflegekräfte im Umgang mit Freiheitsentziehenden Maßnahmen

Definition

Von Freiheitsentziehenden Maßnahmen wird gesprochen, wenn die Maßnahmen regelmäßig und/ oder auf Dauer durchgeführt werden. Freiheitsentziehende Maßnahmen liegen nicht vor, wenn der Bewohner der Maßnahme ausdrücklich zustimmt bzw. wenn die Maßnahme den Bewohner nicht am Verlassen des Aufenthaltsortes hindert (z.B. Bettgitter bei Bewohnern ohne Fähigkeit zur eigenständigen Fortbewegung, die ein Herausfallen aus dem Bett verhindern sollen) bzw. die Maßnahme jederzeit auf Wunsch des Bewohners beendet wird.Zu den Freiheitsentziehenden Maßnahmen zählen:


1. Fixieren des Bewohners durch mechanische Vorrichtungen:

  • Aufstellen von Bettgittern
  • Anlegen von Sitzgurten und Bauchgurten
  • Anlegen von Schutzdecken, Betttüchern, Schlafsäcken oder Ganzkörperanzügen (die der Bewohner nicht selbst entfernen kann)
  • Anlegen von Therapie-/Stecktischen am (Roll-)Stuhl


2. Einsperren des Bewohners:

  • Absperren des Wohnbereichs oder des Zimmers
  • Verriegelung der dem Bewohner bekannten und benutzbaren Ausgänge
  • Komplizierte Schließmechanismen an Türen
  • Zu hoch angebrachte Türgriffe
  • Drehknauf, die der Bewohner nicht öffnen kann
  • Gesichert, für den Bewohner unzugängliche Aufzüge


3. Sedierende Medikamente im Sinne von Schlafmitteln und Psychopharmaka, die gegeben werden, um:

  • den Bewohner an der Fortbewegung im Haus oder am Verlassen des Hauses zu hindern
  • die Pflege zu erleichtern
  • Ruhe auf dem Wohnbereich oder im Haus herzustellen


4. Drohung und psychischer Druck:

  • Wegnahme der Kleidung und Schuhe
  • Verunsicherung des Bewohnern, z.B. Behauptung „die Türklinke stünde unter Strom“

Verantwortlich

  • Monitoring: Einrichtungsleitung
  • Fachliche Aufsicht & Reflektion Alternativen: Pflegedienstleitung
  • Fachgerechte Durchführung: Wohnbereichsleitung, Pflegefachkraft, Pflegeassistent/in (nach Delegation)

Allgemeines

Der Einsatz einer Freiheitsentziehenden Maßnahme muss immer zum Wohle des Betroffenen sein. Freiheitsentziehende Maßnahmen greifen in die Grundrechte des Menschen ein und dürfen nur unter eng gefassten Umständen vorgenommen werden. Der gesetzliche Rahmen wird definiert durch Art. 2 Grundgesetz (allgemeines Persönlichkeitsrecht), Art. 104 Grundgesetz (Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug) und in § 1906 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (Freiheitsentziehung). Eine Freiheitsentziehende Maßnahme ist nur zulässig bei vorheriger Genehmigung durch das Gericht. Nur in Ausnahmefällen können Freiheitsentziehende Maßnahmen ohne vormundschaftliche Genehmigung zulässig sein. Vergleiche auch Konzept zur Vermeidung Freiheitsentziehender Maßnahmen (QMH Kapitel A.3.3)Ausnahmefälle:

  • dokumentierte Genehmigung durch den Bewohner selbst
  • Mutmaßliche Einwilligung des Bewohners
  • Notwehr nach §32 StGB
  • Rechtfertigender Notstand nach §34 StGBBeachtung:
  • es muss zwischen dem Willen und der Möglichkeit zur Fortbewegung unterschieden werden Beispiel: wenn keine Möglichkeit zur Fortbewegung vorhanden ist, der Bewohner jedoch den Willen zur freien Fortbewegung artikuliert (kann seine Fähigkeiten nicht richtig einschätzen) und Maßnahmen zum Schutz des Bewohners eingeleitet werden, handelt es sich nicht immer um eine Freiheitsentziehende Maßnahme. In diesem Fall muss das Amtsgericht den Sachverhalt prüfen. Die Rechtsprechung ist in diesem Falle nicht einheitlich.
  • Stellt das Amtsgericht lediglich eine Belehrung zum Sachverhalt als Antwort auf einen Antrag zur Genehmigung Freiheitsentziehender Maßnahmen aus, ist dieser in der Bewohnerakte zu hinterlegen und auf der Basis einer Fallbesprechung die Notwendigkeit, die Dauer und die Art der eingeleiteten Maßnahme zu dokumentieren. Eine Belehrung ist niemals einem Beschluss gleichzusetzen.
  • Bei vorliegender Fremdgefährdung durch den Bewohner muss eine Einzelfallprüfung erfolgen, ggf. ist eine Unterbringung in eine geschlossene Einrichtung erforderlich.
  • Wenn ein Bevollmächtigter benannt ist, dessen Vollmacht die Bereich ärztliche Behandlung und Freiheitsentziehende Maßnahmen ausdrücklich regelt, ist die Einrichtung einer Betreuung nicht zwingend erforderlich.

Durchführung

1. Genehmigung der Maßnahme durch den BewohnerDer Bewohner ist einwilligungsfähig und stimmt der Maßnahme zu. Eine Aufklärung über Art und Dauer der Maßnahme muss durch das Pflegepersonal erfolgen. Die Maßnahme kann auf der Basis der Zustimmung des Bewohners ohne richterliche Genehmigung durchgeführt werden. Die schriftliche (im Ausnahmefall auch mündliche) Einwilligung des Bewohners muss nachweislich eingeholt werden (s. FO Einwilligung zum Selbstschutz). Der Bewohner muss einwilligungsfähig sein, indem er seinen Willen erklären kann und dies auch tut – Geschäftsfähigkeit ist keine Voraussetzung zur freien Willensäußerung (d.h. der Bewohner kann seinen freien Willen äußern, obwohl er einen Betreuer hat). Die Einwilligung des Bewohners muss 1x ¼ jährlich nachweislich erneut eingeholt werden. 2. Mutmaßliche Einwilligung des BewohnersWenn der Bewohner zur willkürlichen Fortbewegung unfähig ist und kein diesbezüglicher freier Wille erkennbar ist, kann angenommen werden, dass der Bewohner mit der Maßnahme zu seinem Schutz einverstanden ist. Beispiel: ein Bewohner, der sich nicht mehr alleine fortbewegen kann, aber durch Rütteln an den Bettgittern erkennen lässt, dass er mit der Maßnahme nicht einverstanden ist, erklärt seinen freien Willen. In diesem Fall muss dem Willen des Bewohners entsprochen werden und das Bettgitter entfernt werden bzw. die Maßnahme muss durch ein Gericht genehmigt werden. Der Vorgang ist zu dokumentieren. 3. Rechtfertigender Notstand nach § 34 StGBWenn die Freiheitsentziehung nur einmalig und somit vorübergehend im Rahmen einer Notsituation erfolgt (z.B. akute Unruhezustände im Zusammenhang mit akuter Krankheit, Abwendung eines Suizids). In solchen Situationen muss zwingend ein Arzt eingeschaltet werden sowie eine Information an den Betreuer / Bevollmächtigten erfolgen. Den Rechtfertigenden Notstand kennzeichnet, dass es sich um eine kurzfristige Maßnahme handelt. Die Prüfung des Sachverhalts (besteht weiterhin die Notwendigkeit?) muss somit unverzüglich erfolgen (z.B. am darauffolgenden Tag unter Einbeziehung des Betreuers / des Arztes). Ist zum Zeitpunkt der Feststellung des Notstands bereits abzusehen, dass die Maßnahme dauerhaft erforderlich sein wird, liegt kein Rechtfertigender Notstand vor – in diesem Fall ist unverzüglich die Entscheidung eines Gericht über die Legitimation der Maßnahme herbeizuführen. 4. Bewohner mit gesetzlicher Betreuung (Aufgabenbereiche: Aufenthalt, Gesundheitsfürsorge und/oder Freiheitsentziehende Maßnahmen)Sofern Punkt 1. und 2. nicht zutreffen wird die Zustimmung des Betreuers eingeholt. Der Betreuer initiiert die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens und erklärt gegenüber dem Gericht die Notwendigkeit der Maßnahme und beantragt die Genehmigung der Maßnahme. 5. Bewohner ohne gesetzliche BetreuungVorausgesetzt Punkt 1. und 2. treffen nicht zu, fordert die Einrichtung ein ärztliches Gut-achten an und beantragt die richterliche Genehmigung gemäß § 1846 BGB. 6. Der Betreuer stimmt der Maßnahme nicht zu oder es erfolgt keine Rückmeldung des BetreuersIn diesem Fall beantragt die Einrichtung die richterliche Genehmigung der Maßnahme nur, wenn nachweislich Gefahr in Verzug ist und der Betreuer nicht zum Wohle des Bewohners handelt (z.B. indem keine Rückmeldung durch den Betreuer erfolgt nach Erhalt der Information einer Notwendigkeit von Freiheitsentziehenden Maßnahmen durch die Einrichtung). Der Schriftwechsel mit dem Betreuer sollte dem Amtsgericht in Kopie mit dem Antrag auf die Genehmigung von Freiheitsentziehenden Maßnahmen zur Kenntnis übersandt werden.

Dokumentation

  • Stammblatt
  • SIS (Art der Maßnahme, Notwendigkeit, Legitimation, Alternativen)
  • Maßnahmenplanung (Zeitpunkt, Dauer, handlungsleitende Besonderheiten)
  • FO Einwilligung Maßnahme Selbstschutz (bei „Genehmigung durch den Bewohner“)
  • FO ärztliches Gutachten FeM
  • FO Antrag auf Genehmigung Freiheitsentziehender Maßnahmen (bei Gericht)
  • FO Alternativen zu Freiheitsentziehenden Maßnahmen
  • DAN touch, vgl. Dokumentationshandbuch Kap. D.1.1

Literatur

  • König, Jutta (2003): Was die PDL wissen muss, das etwas andere Qualitätsbuch in der Alten-pflege, Hannover, Schlütersche Verlag
  • Hoffmann / Klie (2004): Freiheitsentziehende Maßnahmen, Heidelberg, C.F. Müller Verlag
  • Henke, F. (2006): Fixierungen in der Pflege – rechtliche Aspekte und praktische Umsetzung, Kohlhammer Verlag, Stuttgart
  • Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (2006): Verantwortungsvoller Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege
  • Menche, N., et al (2014): Pflege Heute. Lehrbuch für Pflegeberufe, 6. vollständig überarbeitete Auflage, München: Urban und Fischer